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Württembergische Blätter für Kirchenmusik 3/2008

Hans Georg Bertrams "Oratorium im Advent"

(sl) Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch auf der Suche sind nach einem spezifisch adventlichen Programm, dann ist die folgende Empfehlung eine Überlegung wert.

Durch Zufall wurde ich auf Hans Georg Bertrams "Oratorium im Advent" aufmerksam. Ein Zufall, möglicherweise vergleichbar dem, der zur Entstehung des Gesamtwerkes geführt hat. Denn das Werk besteht wie Bachs Weihnachtsoratorium aus sechs völlig unterschiedlich besetzten Kantaten. Bei Bertram sind sie in einem Zeitraum von fast 30 Jahren als Einzelwerke entstanden und erst nachträglich zu einem Oratorium zusammengefügt worden. Sie sind also zuerst nicht in der Absicht entstanden, sich zu einem Oratorium zu fügen. Ich selbst wollte zunächst auch nur eine dieser Kantaten aufführen und las dann im Vorwort von den anderen und von der Möglichkeit, sie zu einem Oratorium zusammenzustellen.

Oratorium? Nun, ein Oratorium im Sinne der klassischen Definition, nach der ein geistlicher Stoff erzählend-dramatisch, aber konzertant erzählt wird, ist das Werk nicht. Sucht man jedoch nach den Ursprüngen des Begriffes "Oratorium", das vom italienischen "oratorio" (ursprünglich: Gebetssaal) abstammt, dann erfährt man, dass sich die Anfänge der Gattung aus nicht-liturgischen musikalischen Andachten entwickelte. Und hier sind wir ganz nah an dem, was Bertrams Oratorium sein möchte: Andacht. Bewusstsein schaffen für das Warten auf die weihnachtliche Freude des kommenden Gottessohnes.

Während es weihnachtliche Musik insbesondere auch auf dem Gebiet der großen Form in Hülle und Fülle gibt, ist vergleichbare Adventsmusik Mangelware. Das "Oratorium im Advent" ist ein Beitrag, diese Lücke zu schließen. So hebt sich die Musik zwangsläufig wohltuend ab von dem, was landauf landab an Musik in der Adventszeit geboten wird (und damit ist der klassische kirchenmusikalische Bereich durchaus mit eingeschlossen): Weihnachtsmusik. Es ist originär adventliche Musik, gleichwohl mit einem kleinen Ausblick (Weihnachtsmeditation) auf das, worauf wir in der Adventszeit warten: das Kommen des Herrn. So wendet sich diese Musik an diejenigen, die in der Adventszeit bewusst das Besinnliche suchen, die sich im Warten auf den Herrn üben wollen. Das Oratorium spricht vom Kommen und Nahen Jesu und stellt mit biblischen Texten, zeitgenössischer Lyrik und Chorälen den Advent in den Mittelpunkt.

Ich laufe den Adventsweg. Adventskantate für 1-2stimmigen Kinderchor, vierstimmigen gemischten Chor, Sprechstimme(n), Streicher und / oder Orgel (2004) – München: Strube, 2004 – Part. 33 S. – E 12,00 – VS 6265 – Dauer: 20’
"Ich laufe den Adventsweg" ist die jüngste und dennoch tonsprachlich konservativste der sechs Kantaten. Es ist gewissermaßen eine erweiterte Choralkantate über das Lied "Wie soll ich dich empfangen", das in all seinen 10 Strophen erklingt, die fast in barockem Stil vertont sind. Der als Kontrast dazu vorgetragene Text des Gedichtes von Käthi Hohl-Hauser (1918-1990) wird in moderner Tonsprache umspielt von einzelnen solistischen Streichinstrumenten. Dazwischen finden sich als dritte Ebene Texte aus dem 21. Kapitel des Matthäus-Evangeliums.

Das Werk ist auch von einfacheren Kirchenchören problemlos zu lernen. Es gibt einen Bass-cantus-firmus, für den eine entsprechend kräftige Männerbesetzung wünschenswert ist. Drei Strophen können von der Gemeinde übernommen werden. Der Kinderchorpart ist auch einstimmig möglich, leicht sanglich und macht nicht zuletzt durch die eingeschlossenen Kanons Spaß. Der Orchesterpart, auch die kurzen modernen solistischen Aufgaben, lassen sich ohne Probleme einem Amateurorchester anvertrauen. Wichtig ist die Besetzung des Sprecherparts. Hier sollte man unbedingt jemanden wählen, der gut artikulieren und spannungsreich vortragen kann. Nicht jeder Pfarrer ist hierfür geeignet, und eine Männerstimme ist einer Frauenstimme aufgrund der Lage vorzuziehen. Ideal wäre, wenn auch der Sprecher ohne Verstärkung auskäme. In großen Kirchen wird dies aber nicht möglich sein.

Magnificat der Tränen. Geistliches Konzert für Sopran und Orgel (1991) nach einem Gedicht von Käthi Hohl-Hauser – München: Strube, 1999 – Part. 15 S. – E 3,75 – VS 1327 – Dauer: 12’
Im Gegensatz dazu ist das "Magnificat der Tränen" die tonsprachlich modernste Kantate des Zyklus. Sie obliegt ausschließlich einer Sopranistin mit Orgelbegleitung. Mit diesem Werk macht uns der Komponist mit einem genialen Text der Schweizer Dichterin Käthi Hohl-Hauser bekannt, die angesichts der Probleme in der Welt nicht einstimmen kann in den Lobgesang der Maria – bis sie sich an einen Bibelvers erinnert, den berühmten Vers aus Joh 16, 33: "In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden". Nun kann sie sich freuen, nun kann sie einstimmen in den Lobgesang der Maria, und sie will uns alle anstecken, in diesen Lobpreis mit einzustimmen.

Bertrams musikalische Umsetzung ist kongenial. Klagend-depressiver Tonfall zu Beginn mündet in freudig erregtes Musizieren im zweiten Teil. Der zentrale Bibelvers in der Mitte steht in ruhigem Dreiertakt, während zuvor das musikalische Geschehen dem nervös-verzweifelten Sprachduktus folgt.

Die Solopartie sollte man einer schlanken, hohen Sopranstimme anvertrauen, für die Höhe nicht gleichbedeutend mit Krafteinsatz ist. Trotz der modernen Ausdrucksmittel übersteigt das Werk sowohl für die Orgel als auch für die Solostimme einen mittleren Schwierigkeitsgrad nie, vorausgesetzt, man empfindet das Lesen und Umsetzen atonaler Zusammenhänge nicht schon per se als schwer. Das Werk ist vorwiegend manualiter gehalten mit ganz wenigen Pedaltönen, die man zur Not aber auch manualiter spielen könnte. Die vorgesehene Einrichtung rechnet mit drei Manualen, aber mit wenigen Kompromissen ist das Stück auch problemlos auf einer kleineren zweimanualigen Orgel spielbar, die mit einigen schönen Aliquotstimmen ausgestattet ist.

Zieh in mein Herz hinein. Adventskantate für 4-5stimmigen gemischten Chor und Kammerorchester (1999) – München: Strube, 2000 – Part. 18 S. – E 7,75 – VS 1859 – Dauer: 11’
Mit der Verwendung der Adventslieder "Mit Ernst, o Menschenkinder" und "Maria durch ein’ Dornwald ging" beschreitet Bertram in dieser Kantate wieder tonaleren Boden. Nahezu volkstümlich schlicht stellt der Komponist hier die beiden Lieder einander gegenüber. Mit viel Sinn für dramaturgische Abläufe vertauscht er bei "Mit Ernst, o Menschenkinder" die zweite und die dritte Strophe, sodass sich die Strophen der beiden Lieder wunderbar ergänzen. Zwei eingeschobene Instrumentalmeditationen ermöglichen dem Hörer, das Gehörte auf sich wirken zu lassen.

Dieses Stück lässt sich in einfachsten Verhältnissen realisieren. Der Chorsatz ist 1-4stimmig und durch die Bank sehr leicht. Im letzten Satz tritt eine fünfte Oberstimme hinzu, die auch entfallen kann. Bei einer Gesamtaufführung des Oratoriums kann man hier den Kinderchor einsetzen.

Ein Laienorchester wird den Anforderungen mühelos gerecht. Neben dem Streichorchester ist eine Solo-Oboe vorgesehen. Wenn man sie mit einem Schüler besetzt, sollte der schon über einen sehr schönen, warmen Ton verfügen und eine langsame Solomelodie stabil spielen können. Fakultativ kann man zusätzlich eine Orgel und eine Flöte einsetzen. Der Kinderchor ist nicht obligatorisch. Wenn, dann kann man ihn die Oberstimme im letzten Satz singen lassen, muss man aber nicht.

Weihnachtsmeditation für 4stimmigen gemischten Chor, Flöte, Oboe, Vibraphon, Streichquartett und Kontrabass (2001) – München: Strube, 2003 – Part. 11 S. – E 5,00 – VS 1942 – Dauer: 5’
Die Weihnachtsmeditation besteht aus sieben Teilen (darunter einem reinen Instrumentalteil), die musikalisch miteinander korrespondieren und das Werk motettisch gliedern. Verbindendes Element ist dabei einerseits das Lied "Wunderbarer Gnadenthron" (EG 38), dessen drei Strophen im Sinne einer Choralkantate vollständig erklingen, und andererseits die altkirchliche Weihnachts-Antiphon "Christus, unsern Heiland", die zum einen das Werk eröffnet und dann auch gleichzeitig mit dem Lied erklingt, allerdings in einer anderen Tonart, sodass eine reizvolle Bitonalität entsteht, wodurch das Stück allerdings nicht einfacher wird. Der Einsatz der beiden Blasinstrumente und des Vibraphons verleiht der Kantate einen gewissen Zauber, der das Mystisch-Unerklärliche des Weihnachtsgeschehens unterstreicht.

Bedeutend im Spannungsverlauf des ganzen Oratoriums ist die Besetzung der Streicher lediglich als Quartett mit Kontrabass, der teilweise die Cellostimme doubliert, teilweise aber auch selbständig geführt ist. Bitonalität einerseits und solistischer Instrumentalklang andererseits verleihen dem Stück etwas Sphärisches, in die Zukunft Weisendes, und symbolisieren auf diese Weise auch das Ziel des Wartens in der Adventszeit. Das Stück wirkt im Gesamtgefüge auf eine Weise aus einer anderen Welt, als ob man als Kind die Tür zum Weihnachtszimmer verbotenerweise schon einen Spalt öffnet, um zu sehen, was zu sehen noch verboten ist.

Bei aller Kürze ist das Werk für den Chor schwer. Die erste Strophe ist mit der Antiphon in bitonalem Kontrapunkt geführt. Die zweite Strophe bestreitet der Chor zunächst a cappella in moderner Tonsprache, ehe Oboe und Vibraphon nicht minder modern kontrapunktieren – klanglich reizvoll, aber schwer. Die dritte Strophe ist im Tutti gehalten, wobei die Streicher teilweise colla parte mit den Chorstimmen geführt sind, teilweise aber auch nicht, was eingehende Probenarbeit erfordert. Auch die Instrumentalparts sollte man Profis oder zumindest sehr fortgeschrittenen Laien übertragen. Insbesondere der Vibraphonpart ist schwer.

Krippe und Kreuz. Kleine Adventskantate für Kinderchor, Flöte und Orgel (1974) – Kassel: Merseburger, 1977 – Part. 12 S. – E 4,00 – EM 1702 – Dauer: 5’
In dieser Kantate wird dem Adventslied "Es kommt ein Schiff geladen" ein zweites Lied korrespondierend zur Seite gestellt auf einen Text aus einem alten englischen Lied, ins Deutsche übertragen von Erich Fried. Auch in diesem Lied ist ein Schiff Sinnbild für den Weg Jesu, doch nicht zur Weihnachtskrippe, sondern ans Kreuz nach Golgatha. Die sehr zielführend angelegte Dramaturgie mündet in die beiden Schlussstrophen des Adventsliedes, die ihrerseits das Leiden und Sterben Jesu in Beziehung setzen zu Leiden und Sterben des Menschen und darüber hinaus aufs Ewige Leben verweisen. Die Musik begleitet die anspruchsvollen Texte dezent hintergründig, ohne von der Textbotschaft abzulenken.

Der Schwierigkeitsgrad für Kinderchor, Flöte und Orgel ist leicht. Das Stück lässt sich bei geeigneten Platzverhältnissen von der Orgel aus leiten. Die Melodien sind eingängig, die Kinder singen sie gerne. Dennoch bedarf dieses Stück ausgeprägter Motivationsarbeit, da die Texte für Kinder sehr schwierig zu verstehen sind.


Wir sehen dir entgegen. Psalmszene zum Advent. Psalmszene zum Advent für Chor, Sprecher, Oboe / Englischhorn und Streicher (2003) – München: Strube, 2003 – Part. 20 S. – Orchesterpartitur E 15,00 – VS 1942a – Orgelpartitur E 5,00 – VS 1942b – Dauer: 13’
(ausgezeichnet mit dem "Kompositionspreis Kirchenmusik" des Landes Baden-Württemberg
Dies ist das mit Abstand schwerste und anspruchsvollste Stück des Zyklus, sowohl für den Chor als auch fürs Orchester. Die Tonsprache ist über zwei Drittel des Stückes hinweg durchgehend zeitgenössisch. Bisweilen sind alle vier Chorstimmen geteilt. Es gilt etliche schwierige Anschlüsse zu bewältigen, sowohl was Töne als auch was den Rhythmus angeht. Die instrumentale Solostimme beginnt mit einem Englischhorn und geht nach einem Drittel des Stückes auf die Oboe über. Diese Stimme kann nur von einem Profi gespielt werden. Für den Sprecher gilt das oben Gesagte. Im Original ist die Besetzung eines Streichorchesters vorgesehen (VS 1942a). Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Streicher durch die Orgel zu ersetzen. Dann benutzt man die Partitur VS 1942b, die gleichzeitig als Chorpartitur für beide Fassungen dient.

"Kumi ori" – "Mache dich auf, werde Licht". Mit diesen Worten beginnt die Psalmszene, die in vielschichtiger Weise das Thema Advent anspricht. Die nachdenklichen Worte des Sprechers werden eingeflochten in die berühmten Worte aus Jes 60, motettisch vom Chor umgesetzt.

Unvermittelt tauchen Choralmelodien auf, die ganz traditionell, romantisch, bisweilen fast volkstümlich verarbeitet sind ("Wir warten dein, o Gottes Sohn", "Macht hoch, die Tür"), um sogleich wieder von rufenden Zwischentexten abgelöst zu werden ("Machet die Tore weit"). Den Schluss bildet die motettisch verarbeitete fünfte Strophe des Liedes "Macht hoch die Tür". Die Instrumente untermalen dieses musikalische Geschehen mit teils eigenständigen Linien, teils kommentierenden Phrasen oder (selten) in den Chor stützender Form. Das im steten Wechsel von Spannung und Entspannung angelegte Werk kulminiert und endet im Lobpreis "Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr!", wobei die musikalische Schlusssteigerung vor allem durch harmonische und satztechnische Dichte erreicht wird.

Fazit

Das Gesamtwerk sollten sich nur fortgeschrittene Kantoreien vornehmen. Für einfachere Kirchenchöre ist das nichts. Da die Kantaten aber auch einzeln aufgeführt werden können, finden auch sie aus dem oben Genannten das für sie Geeignete. Die Streicher können von einem Amateurorchester bewältigt werden, wenn man insbesondere für die beiden modernen Stücke ausreichend Probenzeit zur Verfügung hat. Hier sind mindestens zwei reine Orchesterproben zu empfehlen. Für Bläser und Vibraphon sollte man Profis fragen, ebenso für Sprecher und Sopransolo. Eine Gesamtaufführung dauert ca. 75 Minuten und ist damit abendfüllend. Eine Erweiterung des Programms ist nicht zu empfehlen. Es würde die Dramaturgie der gesamten Anlage empfindlich stören. Nur in der ersten Kantate ist Gemeindebeteiligung vorgesehen. Dennoch bieten auch andere Kantaten dazu die Möglichkeit, die man sich als Chorleiter jedoch selbst erarbeiten muss.

Die Aufführung in Ravensburg im vergangenen Advent hat außergewöhnlich viele und ausschließlich positive Reaktionen hervorgerufen. Selbst Besucher, die sich vorab als zeitgenössischer Musik gegenüber ablehnend geoutet hatten, haben sich von ihr anrühren lassen. Es geht eine große Kraft von dieser Musik aus. Sie ist daher uneingeschränkt empfehlenswert.



Ditzinger Anzeiger, 24. April 2008

Musikalischer Gang durch eine Tropfsteinhöhle
Erstes Gesprächskonzert mit Hans Georg Bertram und "Coeur du Soleil"


Wie viel muss ein Zuhörer über ein musikalisches Werk wissen, um es wirklich genießen zu können? Dieser Frage können ab sofort Musikinteressierte jeden Alters auf den Grund gehen: Am Dienstag, 15. April fand in der Aula der Jugendmusikschule die erste Veranstaltung der neuen Reihe der Gesprächskonzerte statt. Sie gehört zum übergeordneten Projekt OKB der Jugendmusikschule (Opern- und Konzertbesuche begleiten), das Kinder an klassische Musik heranführen soll und damit dem Vorhaben der Schule nachkommt, musikalische Bildung über den reinen Instrumentalunterricht hinaus zu vermitteln.

Ein besonderer Höhepunkt und würdiger Auftakt der neuen Reihe war das erste Konzert am Dienstagabend in der Aula der Jugendmusikschule mit dem international bekannten und renommierten Esslinger Komponisten Hans Georg Bertram. Er war selbst vor Ort und stellte zusammen mit Pianistin Simone Rapp sein 1987 entstandenes Klavierkonzert "Coeur du soleil" in der Fassung für zwei Klaviere vor. In fast familiärer Atmosphäre hatte das Publikum dann die seltene Gelegenheit, ein Werk zweimal hintereinander zu hören: das erste Mal als unmittelbaren Höreindruck ohne Vorkenntnisse, beim zweiten Mal dann mit verschiedenen Zusatzinformationen über die Entstehung im Hinterkopf sowie mit musikalischen Wendungen und Themen im Ohr, die Bertram zusammen mit den Zuhörenden gesungen hatte.

Schon beim ersten Mal ist die Musik mitreißend. Der erste Satz, überschrieben Allegro Maestoso, packt unmittelbar durch die ihm innewohnende Kraft, und wer schon weiß, dass Bertram ihn in Anlehnung an den übergeordneten Namen dieses Werke "Herz der Erde nennt", der kann bei geschlossenen Augen - begleitet von entsprechenden Höreindrucken - die faszinierende und bizarre Welt einer Tropfsteinhöhle durchwandern, deren vielfältige Stofflichkeiten, Strukturen und Stimmungen sich in den zahlreichen Klanggestalten widerspiegeln. Der zweite Satz verzaubert durch die entrückte, silbrige Atmosphäre, die einmal durch einen schwungvollen, fast etwas anarchistischen Walzers, ordentlich gegen dem Strich gebürstet wird, um hernach noch ein wenig eindrücklicher zu schimmern – "Herz des Mondes" nennt Komponist Bertram diesen Satz. Energie prägt den dritten Teil, der "Herz der Sonne" heißt. Ein harmonisches Balladenstück bleibt schon beim ersten Hören in Erinnerung – es ist das Herz der Sonne, wie sich später herausstellen wird.

Nach den Worten Bertrams und dem anregendem Austausch in der Pause bei einem Gläschen Sekt oder Saft erklingt das Werk dann ein zweites Mal. Und siehe da – ganz ohne Anstrengung finden die zuvor gesungenen Themen und Motive wie von selbst den Weg ins Ohr und geben sich zu erkennen – ein Hörgewinn auf jeden Fall. Die Bildkräftigkeit der Musik ist darüber hinaus noch einmal verstärkt. Ganz deutlich ist jetzt überdies wahrnehmbar, mit welch unglaublicher Präzision und Musikalität Pianistin Simone Rapp den Solopart dieses Werkes gestaltet. Man hätte dieser wunderbaren Musik nur ein paar mehr Zuhörer gewünscht. (ker)

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