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Kirchenzeitung der Evangelischen Dorfkirche Berlin-Britz
Oktober/November 2005


Hymne an den Löwenzahn“
Eine Oratoriumsaufführung in der Britzer Dorfkirche

Wolfgang Möller

Der Sonntagsgottesdienst in unserer Dorfkirche am 28. August 2005 war ganz anders als wir es sonst gewohnt sind! Nicht die übliche Liturgie, sondern ein den ganzen Gottesdienst ausfüllendes Oratorium in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: eine musikalisch vertiefte Meditation in einem der Andacht gewidmeten Raum mit Konzentration auf gesprochene Texte und klangliche Begleitung des Gehörten – kurzum ein Gottesdienst als „großes musikalisches Gebet“. Wieder einmal waren Hans Georg Bertram – emeritierter Professor für Kirchenmusik aus Esslingen und als solcher auch früherer Lehrer unserer Kirchenmusikerin Marianne Müller – und Susanne Pertiet – vielseitig grafisch und musisch tätige Künstlerin aus Schleswig mit geschulter Sprechstimme – zur Uraufführung eines gemeinsamen musikalisch-literarischen Werkes zu uns in die Britzer Dorfkirche gekommen.
Bestimmendes Element dieses Oratoriums war einerseits die ergreifende Erzählung „Die Hundeblume“ von Wolfgang Borchert, 1946 geschrieben und – damit eigene Gefängnisaufenthalte in der NS-Zeit aufgreifend – von einem Gefangenen berichtend, der bei seinem täglichen Rundgang im Gefängnishof eine Löwenzahnblüte entdeckt und diese schließlich unbemerkt pflückt, um sich an ihr in der Monotonie seiner Zelle und des Gefängnisalltags innigst zu freuen, ja ganz mit ihr eins zu werden. Diese Erzählung wurde von Susanne Pertiet mit sehr einfühlsamer Stimme in drei Abschnitten eindrucksvoll vorgetragen. Gegenüber oder an die Seite gestellt waren der mitunter eher düsteren Atmosphäre der Gefängniserzählung sämtliche 15 Strophen von Paul Gerhards bekanntem Sommerlied „Geh aus mein Herz und such Freud …“. Mit deren Gesang war auch die Gemeinde – unterstützt von der Kantorei unter der Leitung von Marianne Müller – aktiv in das Oratorium mit einbezogen. Eingefügt zwischen die Erzählungsteile und die Sommerliedstrophen erklangen von Hans Georg Bertram an der Orgel mehrere Intermezzi – Orgelzwischenspiele, die Spielraum für Gedanken über die gehörte Erzählung und über Gottes Schöpfung, sei es in den farbenprächtigen Sommerbildern Paul Gerhards oder in der auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Löwenzahnblüte, ließen. Eingestreut in dieses Oratorium waren außerdem weitere kurze Texte von Wolfgang Borchert sowie zwei von Hans Georg Bertram komponierte „Fantasien über blau“. Dem Himmel gewidmet, war hier unter anderem das alte Lied „Himmelsau, licht und blau …“ herauszuhören. So ungewohnt ein solcher Gottesdienst zunächst auch war, hat er doch – wie schon das Sommerkonzert der beiden Künstler am Vorabend – einen tiefen bleibenden Eindruck bei den vielen Besucherinnen und Besuchern hinterlassen. Vielen Dank für ein beeindruckendes musikalisches, literarisches, aber auch geistliches Erlebnis!








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